Die Geschichte der Vierländer Tracht: Bis ins letzte Jahrhundert hinein waren die Vierlande verkehrstechnisch eher schlecht als recht zu erreichen. Die Straßen glichen oft Schlammpisten und waren schlecht zu befahren. Bis zum Bau der Bergedorf-Geesthachter und Vierländer Eisenbahn waren Schiffe, die sog. Ewer das Transportmittel der Wahl.

Auch wenn die Vierlande nachweislich seit dem Mittelalter ein beliebtes Ausflugsziel sind, so blieben die Vierländer doch, bis ins letzte Jahrhundert hinein, mehr oder weniger ein „Völkchen für sich“. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: „Ganz Vierlanden hat eine Großmutter“.

Bekannt waren die Vierländer seit je her für die hohe Qualität von Blumen, Obst und Gemüse. Vierländer Produkte waren ein Qualitätsmerkmal, ähnlich wie später „made in Germany“. So verwundert es nicht, dass Händler auf Märkten versuchten Produkte als Vierländer Produkte für teures Geld zu verkaufen, auch wenn sie vielleicht von minderer Qualität und anderer Herkunft waren. Es galt die Marke „Vierlanden“ zu schützen, und so sagt man, entwickelte sich die Vierländer Tracht zwischen 1750 und 1770. Eine Tracht die ganz eindeutig zeigen sollte, dass ein Händler aus Vierlanden kam und nicht von sonst woher.

Vierländer Tracht – eine Tracht als Gütesiegel für Qualität und Frische!

„Wer ick bünn, wat ick will un woher ick kumm. Mi de frog to stellen is eegentlich to dumm. Wer de Tracht hör wohl kennt, de süht dat me an. Ick kumm ka direkt ut Verlann!“

Für den Laien eine eigentümliche, bunte Tracht, ist die Vierländer Tracht für den Vierländer ein sprechendes Buch. Sie gibt Auskunft über den genauen Wohnort, Familienstand, Vermögen und den Anlass zu dem man die Tracht trägt. Nahezu jedes Detail hat eine bestimmte Bedeutung. Noch bis etwa 1920 präsentierte sich der stolze Vierländer in seiner wertvollen Tracht. Auf Märkten galt sie als Qualitätsgarantie für die frischen Produkte aus Vierlanden.

Besonders auffällig sind die vielen filigranen Stickereien, die abends beim dämmrigen Schein einer Petroleumlampe von den Frauen liebevoll gefertigt wurden und die vielen blanken Silberknöpfe – bis zu 76 Silberknöpfe schmückten eine Männertracht!

Die Frauentracht

Die Frauentracht besteht aus einem schwingenden Rock „Schört“ aus Wolltuch. Damit er schön prall absteht, zieht die Vierländerin oft viele Röcke übereinander. Manche binden auch noch ein Polster um die Hüften. Über eine weiße Bluse mit weiten, einmal umgeschlagenen Ärmeln gehört eine Frauenweste „Liefstück“ / „Rump“, die vorne mit dem reich bestickten Brustlatz „Boßdook“ ausgefüllt wird.

Um die Schultern wird ein ebenfalls besticktes Halstuch gelegt, dessen aufgerollte Enden über der Brust von der silbernen bzw. goldenen mit Edelsteinen und Miniaturmalerei verzierten Brustschnalle „Schillerkeed“ zusammengehalten werden.

Die Taille schmückt ein gestickter Gürtel „Gördl“/„Quäder“ um den die Schürze „Platen“ gebunden wird. Dazu trug die Vierländerin früher farbige Strümpfe, die heute allerdings nur noch weiß sind, und schwarze Schuhe.

Sehr auffällig ist der Kopfschmuck der Frau. Über eine Kappe, an der die schwarze, steife Nackenschleife „Krei“ befestigt ist, wird ein großer, flacher aus Rispengras geflochtener Hut gebunden.

Gegen Kälte schützt die Jacke „Wams“/„Fudderhemd“ die in etwas anderer Art auch vom Mann getragen wird.

Männertracht

Unter der Jacke trägt auch der Mann ein weißes Hemd, sowie eine Weste, die vorne doppelreihig mit flachen Silberknöpfen geschlossen wird.

Die schwarze Klappenhose „Büx“ war ursprünglich aus schwarzem Tuch, englischem Leder und später aus Cord, sie reicht bis über das Knie und ist auch am Bund und Hosentaschen mit Silberknöpfen bestückt.

Die Silberknöpfe des Mannes gaben Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse, denn je mehr Silberknöpfe die Tracht eines Bauern zierten, desto reicher war er.

Gab es wieder erwarten doch mal Probleme mit dem bezahlen, so wurde dem Bauern schon mal „einer abgeknöpft“.

Dazu werden weinrote Strümpfe und schwarze Schuhe getragen. Als Accessoires dürfen ein geknotetes Halstuch und ein Taschentuch, dass aussen an der linken Hosentasche festgesteckt wird, nicht fehlen.

Den Kopf des Vierländers ziert ein schwarzer Zylinder, wie ihn auch die Hamburger Kaufleute trugen.

Neben den beschriebenen Frauen- und Männertrachten gab es noch weitere besondere Kleidungsstücke für den Kirchgang oder Hochzeiten. Besondere Trachtenstücke gab es auch für Kinder.

Nachdem die Vierländer Tracht für lange Zeit in großen Truhen verschollen war, belebt sie heute wieder das Bild bei kulturellen Anlässen und natürlich unserem Erntedankfest. Immer mehr Menschen in den Vierlanden entdecken den Wert der schönen Tracht wieder für sich und so mancher fertigt sich nach alten Mustern eine neue an.

Text: Vierländer Trachtengruppe, VuM

Fotos: Vierländer Trachtengruppe, VuM

Dieser Artikel ist erschienen in: Vier- & Marschlande Regionalmagazin Nr. 9 (1/2016)