Die Riepenburger Mühle in Kirchwerder. Einige hundert Meter stromaufwärts des Zollenspieker Fährhauses gab es bereits im 13. Jahrhundert einen Elbübergang, der unter dem Namen „Eyslingen“ bekannt war. Die 1252 erstmals erwähnte Fähre verband eine seit 1216 bestehende Zollstation in Kirchwerder mit dem anderen Elbufer.

Riepenburg

Zum Schutz der Zollstelle wurde um 1250 die Riepenburg, am südlichsten der drei Elbarme, gegenüber der damaligen Mündung der Illmenau bei dem Örtchen Haue, errichtet. Namensgeber der Burg war ihr Besitzer, Ritter Hermann Riebe, der seit 1289 urkundlich bekannt ist.

Riepenburger Mühle

Zur Riepenburg gehörte damals bereits die Riepenburger Mühle. Erste Nennungen der Kornwindmühle und Inventarlisten datieren bis in das Jahr 1318 zurück. Seitdem wurde die Mühle am selben Ort immer mal wieder durch Neubauten ersetzt, wenn der Vorgänger zu marode war. So ist dies in den Jahren 1683 und 1765 geschehen.

Bei den Vorgängern der heutigen Mühle handelte es sich stets um sog. Bockwindmühlen, wobei man 1765 schon an den Bau einer Holländerwindmühle dachte, dies aber aus Kostengründen verwarf.

Die jetzige Riepenburger Mühle „Boreas“ wurde 1828 als Galerie-Holländerwindmühle erbaut und  ist die älteste und größte erhaltene Kornwindmühle Hamburgs. Zusätzlich gilt sie, aufgrund ihrer Geschichte, als eine der ältesten Firma am gleichen Standort in Hamburg.

Mühlentyp Holländerwindmühle

Holländerwindmühlen waren im 16. Jahrhundert die modernste Entwicklung der klassischen Windmühle. Der untere Teil der Mühle ist meist gemauert und damit sehr stabil. Im weiteren Verlauf des Turms kann dieser, je nach Typ, entweder ebenfalls gemauert oder aus Holz gefertigt sein.

Auf dem oberen Turmabschluss ist die Kappe drehbar gelagert, was den großen Vorteil mit sich brachte, dass nur noch die Kappe in den Wind gedreht werden musste. Als Erfinder der drehbaren Kappe gilt der holländische Ingenieur Jan Adraanszoon Leeghwater.

Im Gegensatz zu den alten Bockwindmühlen bedeutete die Architektur der Holländerwindmühle mehr Platz im Gebäude für Lager und Maschinen. Zusätzlich konnte der Mühlturm höher in den Wind gebaut werden, wodurch sich der Wirkungsgrad der Mühle erhöhte.

Die Windkraft wird durch das Kammrad auf der Flügelwelle über den Bunkler auf die sich senkrecht drehende, sog. Königswelle übertragen. Mit Hilfe verschiedenster Getriebe und Treibriemen wird die für den Maschinenantrieb benötigte Energie von der Königswelle abgenommen.

Die Riepenburger Mühle „Boreas“ und ihre Entwicklung seit 1828

Die Riepenburger Mühle wurde bei ihrem Bau mit vier Mahlgängen ausgestattet – zwei Schrot-, ein Mahl- und ein Graupengang. Letzterer wurde 1867 durch einen sog. „Franzosen“ (Naturstein aus Süßwasserquarz) ersetzt.

Bis 1863 war die Riepenburger Mühle eine Zwangsmühle. Die Bewohner von Bergedorf, Geesthacht und den Vierlanden waren verpflichtet ihr Korn entweder auf der Riepenburger Mühle oder der Kornwassermühle in Bergedorf mahlen zu lassen. Als herrschaftliche Mühle wurde sie bis zu ihrem Verkauf, an den einheimischen H.A. Busch im Jahre 1880, vom Bergedorfer Amtmann an einen Müller verpachtet.

Busch verbesserte und modernisierte die Mühle, und führte neue Geschäftszweige, wie z.B. einen Futterhandel ein. Im Jahr 1888 fügte Busch einen  Anbau mit einer Dampfmühle hinzu. Um 1900 wurden zusätzlich zwei motorbetriebene Schrotgänge in die Mühle eingebaut. Die Dampfmühle blieb bis 1919 in Betrieb. Ihr Schornstein wurde in den 30er Jahren entfernt.

1880 übernahm sein Sohn Hermann-August Busch die Mühle und später sein Enkel Karl Busch. Eine 1963 eingebaute Hammerschlagmühle ist bis heute noch funktionsfähig, während die 1970 errichtete vollautomatische Getreideannahmestation im Jahr 1996 wieder demontiert wurde.

Bis 1990 in regulärem Betrieb!

Für die heutige Zeit ist es wirklich erstaunlich, denn bis 1990 war die Mühle noch in Betrieb. Der letzte Müller Karl-Heinz Busch, Urenkel des Käufers H.A. Busch, stellte hier bis zuletzt Futtermittel her, bis er 1990 in den wohlverdienten Ruhestand ging.

Um die seit 1939 unter Denkmalschutz stehende Mühle zu erhalten, pachteten Axel Strunge und Michael Graf 1999 die Mühle. Mit privaten Mitteln war es ihr Ziel sie zu restaurieren und der Öffentlichkeit als technisches Denkmal zugänglich zu machen. Viel Geld und Zeit steckten bereits in dem Projekt, als Ende 2000 plötzlich ein Anruf von der Bank kam und es hieß, dass die Mühle zwangsversteigert werden sollte.

Jetzt hatten sie die Wahl: entweder aufgeben und alles war umsonst gewesen, oder die Mühle selber kaufen. Der zuständige Denkmalpfleger erwies sich als guter Berater. Doch um Gelder vom Denkmalschutz für die Restaurierung zu bekommen, musste ein gemeinnütziger Verein Besitzer der Mühle sein. Am Ende unterschrieben Axel Strunge und Michael Graf den Kaufvertrag und übereigneten die Mühle dem eigens gegründeten Mühlenverein.

2006 wurden die größten Restaurierungsarbeiten schließlich abgeschlossen, denn fertig wird man nie. In diesem Zusammenhang betont Axel Strunge heute noch, dass es ihm sehr wichtig war, dass lokale Handwerker mit den Aufträgen betraut wurden, wie z.B. die Zimmerei Bahrnstorf, Reimers und Hansen, Peter Schümann, Schmehling & Drews, Frank Rothgänger, Nils Wehling und viele mehr. Rund 1,5 Mio. Euro hat die Restaurierung am Ende gekostet, aber es hat sich wirklich gelohnt!

Axel sagt dazu:

„Ich finde eine Mühle muss leben, sie muss riechen und schmecken und man muss mit allen Sinnen verstehen.“

Genau das ist heute dank der unermüdlichen Arbeit seines Teams wieder möglich. Auf die Frage, wie viel Zeit er in der Mühle verbringt, hatte er uns gegenüber die Antwort sofort parat:

„Fragt mal meine Familie – zu viel, früher waren es 8 Tage die Woche, seit ein paar Jahren jetzt nur noch Dienstag und Donnerstag bis abends, oder zu besonderen Terminen.“

Die Riepenburger Mühle zeigt sich dem Besucher heute in einem fantastischen Zustand. Damit das auch so bleibt, ist permanente Pflege erforderlich, denn andernfalls würde der Verfall schnell wieder einsetzen. Hierzu verrät uns Axel Strunge noch ein besonderes Geheimnis, das seine Frau gar nicht wissen darf: er fegt nicht nur, sondern saugt sogar, da sich dort immer wieder neuer Dreck ansammelt.

Mühlenverein

Der Mühlenverein hat aktuell elf Mitglieder. Neben Axel Strunge sind es vor allem Joachim Meyer-Dornia, Carsten Weischer, Michael Beck und Olaf Rieck die regelmäßig Hand anlegen. Für Führungen ist meist Hans-Georg Gruss zuständig.

Freuen würde sich der Verein über weitere Mitglieder. Sei es als reines Fördermitglied, oder auch als aktiv Mitwirkendes. Es gibt Vieles zu tun und es ist für jeden was dabei. Vom Müllerhandwerk, über Holzbau, Metallarbeiten, Elektrik bis hin zu Gartenarbeiten. Wer Interesse hat kann sich gerne an Axel Strunge wenden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 30€ im Jahr.

Die Mühle heute

Wer heute die Mühle besichtigt ist überrascht vom geräumigen Inneren. Doch der Schein trügt: früher war die Mühle voll  mit gefüllten Getreidesäcken!

Mit ihren noch immer vorhandenen zwei windbetriebene Mahlgängen wären an guten Tagen bis zu 3t in 24 Stunden zu schaffen. „Gute Tage“ sind in diesem Fall Tage an denen der Wind, möglichst konstant, mit einer Windstärke von 5 oder stärker bläst.

Generell gilt: Winterzeit ist Mühlenzeit! Kalter, feuchter Wind in der dunklen Jahreszeit bringt mehr Druck auf die Flügel der Windmühle. Mehr als 60 solch windreicher Tage im Jahr sind heute leider, wegen Bäumen und Bebauung unrealistisch. Da nützt es auch nichts, dass sie nach wie vor ein Windrecht im Umkreis von 300m besitzt.

Starke Winde machen der Mühle übrigens nichts aus. Selbst bei Windstärke 11 ist es kein Problem durchgehend Getreide zwischen den Mühlsteinen zu mahlen. Die Flügel der Mühle machen durchschnittlich 15 Umdrehungen pro Minute (60 Enden) und mehr. Über das Getriebe im Inneren werden daraus 125 Umdrehungen pro Minute auf den Mühlstein übertragen. Die Flügelspitze erreichen dabei eine Geschwindigkeit von ca. 123 km/h. Damit die Mühle nicht übertourt befinden sich an den Spitzen der vier Flügel Bremsklappen, die sich automatisch bei zu hoher Drehzahl quer in den Wind stellen.

Statt Segeltüchern sind die Flügel der Riepenburger Mühle mit verstellbaren Jalousin versehen. Hierdurch kann die Geschwindigkeit sehr schnell angepasst oder die Mühle gar gebremst werden.

Zum Vergleich: eine moderne Mühle muss heute mindestens 500t am Tag verarbeiten um wirtschaftlich zu sein, manche Großmühlen produzieren bis zu 1400 Tonnen Feinmehl am Tag.

Für Axel Strunge ist dies eine traurige Tatsache, denn dadurch werden auch noch die letzten verbliebenen Handwerksmühlen früher oder später vom Markt verschwinden. Mühlen die im Gegensatz  zu den Großmühlen, auf Wünsche ihrer „Kleinkunden“ eingehen können.

Früher hatte jedes Dorf seine Mühle, 1865 gab es über 65.000 Mühlen in Deutschland, heute sind es eine Handvoll, die uns mit Mehl versorgen. Dafür kommt das Getreide auch nicht mehr vom „Nachbarn“ sondern wird aufwendig aus der ganzen Welt herangeschafft. Dies bekommen auch die Bäcker zu spüren, die heute allerdings meist selbst schon industriell produzieren.

Speiseöl

Seit kurzem wird am Kirchwerder Mühlendamm auch Speiseöl gepresst – bevorzugt aus Leinsaat. Wie fast alle Mühlen war die Riepenburger früher nicht nur eine Korn-, sondern auch eine Ölmühle. Axel Strunge entschied sich für Leinsamen, weil Flachs zu den ältesten Kulturpflanzen gehört. Außerdem hat Leinöl einen angenehmen süßlich-nussigen Geschmack und einen der höchsten Anteile an mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Die kleinen dunkelbraunen Körner enthalten aber auch Bitterstoffe. Sie verbrennen, wenn die Saat auf 70°C erhitzt wird. Hierzu bauten die Vereinsmitglieder einen Trommelröster.

Zurzeit testet Axel mit seinen Vereinskollegen zwei unterschiedliche Verfahren. Einmal schrotet er 10kg Saat, mischt 1l Wasser darunter und röstet sie anschließend schonend. Das Wasser dient nur zur Verdunstung, damit das Schrot nicht verbrennt.

Ein anderes Mal verzichtet er auf das Schroten, röstet die ganzen Körner und füllt sie anschließend in den Trichter der Schneckenpresse. Die Schneckenpresse funktioniert wie ein Fleischwolf, nur dass sich am Ende keine löchrige Scheibe, sondern ein Spalt befindet, durch den sich der Press- oder Ölkuchen schiebt. An der Seite läuft der goldene Saft heraus. Dieser Presskuchen enthält noch etwa 10-20% Öl und kann in Bäckereien weiterverwertet werden – etwa bei der Herstellung von Brot.

Um 10kg Saat zu pressen, aus denen sich etwa 2,5l Öl gewinnen lassen, brauchen die Vereinsmitglieder ca. 3 Stunden. Theoretisch sind so 10l Öl am Tag möglich. Anschließend muss das Öl zwei Tage lang sedimentieren – das heißt, die Trübstoffe setzen sich ab. Danach wird es filtriert und in 100-Milliliter-Flaschen abgefüllt, die leuchtend gelbe Etiketten der „Riepenburger Ölmanufaktur“ zieren. Das Öl sollte innerhalb von 6 Wochen verbraucht werden, da es sonst wieder bitter wird.

Zum Deutschen Mühlentag am 16.05.2016 wird in der Riepenburger Mühle noch ein kleiner Laden eröffnet werden, in dem die Produkte, die an Öffnungstagen oder im Rahmen von Vorführungen für Schulklassen entstehen, verkauft werden können.

Öffnungszeiten:

April – Oktober: Dienstag und Donnerstag 14-18 Uhr

Jeden 1. und 3. Sonntag 13-17 Uhr

oder nach Vereinbarung

Führungen für Gruppen ganzjährig

Weitere Informationen zur Riepenburger Mühle finden Sie im Internet unter:

www.riepenburger-muehle.de

Tel.: 040 / 720 89 50

E-Mail: boreas@bergedorf.de

Dieser Artikel ist erschienen in: Vier- & Marschlande Regionalmagazin Nr. 8 (3/2015)