Wenn man die Geschichte der Vier- und Marschlande verstehen will, dann kommt man um einen Ort nicht herum: den Zollenspieker. Was heute für uns vor allem ein beliebter Ausflugsort, Restaurant und Fährhafen ist, war früher ein bedeutsamer, historischer Schauplatz.

Aus einem Meer an Schlachten, Intrigen, strategischen und politischen Überlegungen, den ersten Touristischen Aktivitäten in Hamburg, sowie den Naturgewalten der Fluten ragt das historische Zollenspieker Fährhaus wie ein Fels in der Brandung hervor – als Dreh und Angelpunkt einer bedeutsamen Geschichte.

Eng damit verbunden natürlich die Elbe. Wichtig dabei: Der heutige Hauptstrom war früher nur einer von drei Flußarmen, die nach der Rückbildung der Ur-Elbe entstanden.

Die Ur-Elbe bildete sich nach dem Ende der letzten Eiszeit (Weichsel-Eiszeit). Schmelzwasser und Geröllmassen formten das Stromtal. Der Wechsel der Gezeiten schichtete über Jahrtausende meterhohen Schlamm im Unterlauf auf – die Basis des fruchtbaren Marschenbodens. Gegen Ende der Schmelze blieben die heutigen Vier- und Marschlande als Stromspaltungsgebiet mit den drei Elbarmen: Dove-, Gose- und die südliche Elbe zurück.

Der heutige Hauptstrom führte damals weniger Oberwasser als die Dove- und Gose-Elbe. Er war wohl eher ein Nebenarm.

Findlinge, die aus ordentlicher Reihe bei Baggerarbeiten in der Elbe beim Zollenspieker zu Tage kamen, lassen darauf schließen, dass an dieser Stelle einmal eine Furt bestand, die Menschen bei Niedrigwasser zur Überquerung nutzen konnten.

Typisch für diese Zeit waren die Flussinseln (Werder). Wahrscheinlich war auch Zollenspieker im frühen Mittelalter ein Werder. Hierfür spricht der noch vorhandene, prielähnliche Flusslauf am Zollenspieker, der auch „Schlenze“ genannt wird. Wann die ersten Menschen sich hier niederließen ist nicht genau belegt.

Geschichtlicher Exkurs

Laut einer alten Hamburger Chronik wurde die Hammaburg alleine bis zum Jahre 1072 sieben Mal von den Wilsen, Dänen, Slaven, Wenden und Obtotriten fast gänzlich zerstört.

1201 gerät Hamburg unter dänische Regentschaft unter König Waldemar II. 1202 folgt das Landgebiet um Bergedorf. Waldemar II setzte seinen Neffen, Albrecht II, Graf von Orlamünde als Lehnherren in Bergedorf ein. Albrecht II zeichnete sich in den folgenden Jahren als gewissenhafter Lehnherr aus. Er baute Bergedorf aus, errichtete den ersten Schlossbau und trug zur Entwicklung des Landgebietes wesentlich bei. Erst 1227 gelang es norddeutschen Fürsten in der vernichtenden Schlacht bei Bornhöved das Imperium des dänischen Königs zu zerstören.

Während das westliche Marschengebiet zur Grafschaft Holstein überging, gelangte das östliche zur Grafschaft Lauenburg. Zur Sicherung der Verkehrswege zwischen Nord- und Ostsee schlossen Lübeck und Hamburg 1241 ein Bündnis, das als Vorläufer der Hanse gilt.

Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Zollenspieker findet sich im Jahre 1252 unter der Flurbezeichnung „Yslinge“ (später Eislingen, Esslingen). Zur damaligen Zeit existierte eine Zollstelle und Fährverbindung knapp 2km Stromaufwärts, zu dessen Schutz die Riepenburg errichtet wurde.

Das Zollenspieker Fährhaus – eine slawische Gründung?

Während der Sanierung des alten Zollenspieker Fährhauses wurde im Jahr 1995 in der Tiefe ( + 2,65m NN) ein unversehrtes Rollbalkenfundament entdeckt. Diese Fundamentart, bestehend aus von Norden nach Süden verlegten Erlenstämmen, sowie quer darüber gelegte Eichenschwellen als Stütze für die Hauptpfeiler des darüber errichteten Gebäudes. Diese Konstruktionsweise entspricht im Allgemeinen der slawischer Bauart. Dies lässt die Vermutung zu, dass Slawen möglicherweise auf dem Zollenspieker sesshaft waren und das heutige, historische Zollenspieker Fährhaus ursprünglich eine slawische Gründung ist.

Wann genau hier das erste Bauwerk überhaupt errichtet wurde, lässt sich heute historisch nicht mehr belegen. Die Tatsache, dass der Ort 1252 urkundlich erwähnt wird, lässt jedoch darauf schließen, dass hier bereits etwas von allgemeiner Bedeutung gewesen sein muss. Eine dendrochronologische Untersuchung der Eichenbalken des Fundamentes könnte immerhin eine zeitliche Datierung des heute noch vorhandenen Bauwerkes liefern.

Für das Herzogtum Lauenburg waren die Zolleinnahmen im Dreieck zwischen den Städten Hamburg, Lübeck und Lüneburg eine sehr lukrative Einnahme. Die Riepenburg galt hierbei als eines der Bollwerke gegen die immer stärker werdenden Städte Hamburg und Lübeck.

Das „Bergedorfer Raubrittertum“ führte schließlich dazu, dass Hamburg und Lübeck 1420 beschlossen Bergedorf einzunehmen. Nachdem die Fehde fristgerecht, drei Tage vorher, zugestellt wurde, drang das gemeinsame Heer aus Hamburg und Lübeck am 7. Juni 1420 mit 800 Reitern, 1000 Büchsenschützen und 2000 Fußsoldaten in Bergedorf ein. Ihnen gegenüber standen gerade einmal 40 Lauenburger in der Bergedorfer Wasserburg, dem Vorgänger des heutigen Schlosses. Nach fünf Tagen Belagerung kapitulierten sie und erhielten dafür freies Geleit. Die territorialen Streitigkeiten wurden schließlich am 23. August 1420 mit dem „Vertrag von Perleberg“ niedergelegt. Bergedorf und die Vierlande fielen wider an die beiden Städte. Im Rahmen der gemeinsamen Verwaltung wurde abwechselnd alle sechs Jahre ein Amtmann eingesetzt und die Riepenburg wurde ein „städtisches Amt“.

Im Lauf der Jahrhunderte verlagerte sich der Flusslauf der Ilmenau. Mündete sie früher etwa gegenüber der Riepenburg in die Elbe, so floss sie zum Anfang der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kurz vor Erreichen des Stromes in die benachbarte Luhe. Dieser neue Flussverlauf machte eine Verlegung der Zollstelle notwendig: 1460 taucht in einer Chronik erstmals die Ortsbezeichnung „Toln Spiecker“ (Zollspeicher) auf.

Folgenschwere Abdeichung der Elbe!

Die Abdeichung der Gose-Elbe (um 1340) und Dove-Elbe (1471) in Altengamme (Gammer Deich) hatte erhebliche Auswirkungen auf das Winsener Gebiet, das in Folge bei Hochwasser nun öfters überschwemmt wurde. Die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg versuchten daher zwischen 1496 und 1583 mehrfach den Gammer Deich und andere Deiche auf der nordelbischen Seite zu zerstören, und reichten schließlich eine Klage vor dem Reichskammergericht ein. Zur Sicherung des Zolldienstes und Fährbetriebes wurden 1552 erstmals bewaffnete Wachbote in Zollenspieker stationiert.

Ein städtisches Haus auf dem Land

Im Jahr 1600 fertigt der Kartograph und Zeichner Daniel Frese eine detaillierte Elbkarte an, auf der die architektonischen Details des Fährhauses gut erkennbar sind. Abgebildet ist ein gotisches Doppelhaus im Stil der norddeutschen Speicherarchitektur. Die Giebelwände des Ziegelbaus sind auf der Nord- und Südseite. Das Dach ist in der Darstellung mit roten Dachpfannen eingedeckt.

In seinem Erscheinungsbild setzt es sich ganz klar von der ländlichen Bauweise ab. Umgeben ist das Haus von einem geschlossenen Palisaden-Schutzzaun und einem Hausgarten. Die Uferbefestigung zum Schutz vor Wellen, Eis und Hochwasser bestand damals aus einer Holzkonstruktion, die die Hafenbucht bogenförmig umgibt.Funde belegen dass hier 50cm dicke Baumstämme im Boden befestigt und mit einer hinteren Brüstung aus 6cm dicken Planken versehen wurden.

1619 fällt das Reichskammergericht in Speyer ein Urteil zugunsten des Herzogtums von Braunschweig und Lüneburg. Der Hauptverlauf der Dove-Elbe soll auf das alte Flussbett zurückverlegt werden. Hamburg erhebt gegen dieses Urteil Widerspruch, worauf Kaiser Ferdinand II eine einstweilige Verfügung erlässt um das Urteil zunächst nicht wirksam werden zu lassen. Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein eigentümlicher Feldherr und Hasardeur mit Schulden und Söldnerheer, konnte die Berufung jedoch nicht abwarten.

Am 23. Februar 1620 überquert er mit 2000 mit Musketen ausgerüsteten Söldnern und 1500 nur teilweise bewaffneten Bauern die zugefrorene Elbe bei Zollenspieker. 600 Reiter stießen einen Tag später von Osten, aus dem Sachsenwald kommend, hinzu. Der Zollenspieker wurde eingenommen, ausgeraubt und bis auf drei, jeweils 1,10 Meter dicken Erdgeschossmauern zerstört. Seine Soldaten durchstachen den Gammer Deich und zogen plündernd durch das Land. Es waren vier furchtbare Wochen für Vierlanden.

Am 24. März kam es zum entscheidenden Kampf zwischen den Truppen des Hamburger Stadtkommandanten Freiherr Bodo von Knyphausen und den Feinden von der anderen Elbseite. Das Söldnerheer musste sich nach großen Verlusten (rund 800 Tote) nach Hopte zurückziehen. Knyphausen schützte den Wiederaufbau des Fährhauses mit seinen Soldaten und ließ zur Abwehr der „Überelbischen“-Feinde, die von der Höper Schanze aus den Zollenspieker immer wieder unter Beschuss nahmen, etwa 85 Meter westlich des zerstörten Fährhauses eine Schanze errichten.

Der Schanzenbau

Im Zuge des 30jährigen Kriegs (1618-1648) wurde der Bau von Festungswerken auch in Hamburg vorangetrieben. Schriftstücke aus dem Jahr 1620 belegen, dass bereits im März und April Baumaterialien für den Zollenspieker Schanzenbau geliefert wurden. Aufgrund der Geheimhaltung bei militärischen Angriffs- und Verteidigungsbauten lässt sich daher heute nicht mehr sagen, ob die Zollenspieker Schanze möglicherweise sogar von den Angreifern begonnen wurde, oder bereits vor dem Überfall geplant war. Tatsächlich wurde die Schanze nach kurzer Zeit bereits wieder zurück gebaut.

Wiederaufbau des Zollenspieker Fährhauses

Nach Plänen eines Kapitäns Falkenberg wurde das neue Zollhaus 1621 im Renaissancestil, unter Verwendung der stehengebliebenen, mittelalterlichen Erdgeschossmauern neu aufgebaut, wobei das Erdgeschoss den vormaligen, gotischen Stil behielt.

Auf das Erdgeschoss wurde eine Fachwerkkonstruktion mit Ziegelausfachung gesetzt. Das neue Walmdach erstreckt sich über beide ehemaligen Gebäude, wobei der First seit dem von Ost nach West verläuft. Auf einem Kupferstich von Hieronimus von Hensbergen aus dem Jahre 1675 ist das neue Zollhaus gut zu erkennen.

Auf einem Plan aus dem Jahr 1738, der sich heute im Staatsarchiv Hamburg befindet, wird der Zollenspieker als Insel dargestellt – eine Darstellung, die auf vorherigen Karten nicht erfolgte. Gleichzeitig wird auf diesem Plan die gut befestigte Höper Schanze auf der anderen Elbseite ersichtlich, die über vier Batterien mit jeweils zwei Kanonen verfügte. Dem Plan nach muss auch der Zollenspieker zwischen 1621 und 1738 weiter befestigt worden sein. Richtung Osten sind hier vier Kanonen eingezeichnet. Neben dem „Thollen Spieker“ befinden sich zusätzlich noch ein Wachhaus für die Fährleute sowie ein Wachhaus für die stationierten Soldaten.

Knapp 80 Jahre später, 1815,  erschien ein Plan mit dem Titel „Grundriß von dem Amtsplatze zum Zollenspieker mit den darauf befindlichen herrschaftlichen und anderen Gebäuden“. Der Schanzengraben wird hier nicht mehr durchgängig dargestellt. Um den Zollenspieker herum führen die Wege „Grüner Deich“ und „Schanzendeich“. Dem Plan nach zu urteilen muss zuvor eine rege Bautätigkeit geherrscht haben. Mehrere neue Gebäude wurden auf dem Zollenspieker errichtet, wie eine große Scheune, ein Kran, die Branntewein Brennerey, zwei Aborte und sogar eine Kegelbahn.

Dabei unterscheidet Hausvogt A.E. von Holten zwischen den herrschaftlichen Gebäuden die im Besitz der Stadt Hamburg waren, und denen von Pächter C.P. Seedorff, der größeren Landbesitz in Kirchwerder hatte. Seedorf war es laut Pachtvertrag gestattet Branntwein zu brennen, der jedoch „außer in der Landschaft Kirchwärder“ nicht verkauft, aber durchaus nach Auswärts exportiert werden durfte. Er gilt damit als Vater des „Zollenspieker Kümmel“.

Ort technischer Innovationen

So unscheinbar die beiden Aborte auf dem Plan auch eingezeichnet sein mögen. Als Mitte der 1990er Jahre das Zollenspieker Fährhaus saniert wurde, trat erstaunliches zu Tage: Aus dem ehemaligen Schanzengraben wurden die Gebäude mit Frischwasser über Holzrohre (Pipen) und handgefertigten Tonrohre versorgt. Dendrochronologische Untersuchungen an der Universität Hamburg ergaben, dass die Baumstämme der Pipen im Winter 1588/89 gefällt wurden. Fließendes Frischwasser in Häusern galt zur damaligen Zeit in unserem Raum als technische Sensation.

Nicht ohne Saal

1866 wurde Johannes Fölsch neuer Pächter. Zwar gab es bereits für Feierlichkeiten eine Tanzscheune, doch war ihm diese nicht mehr zeitgemäß genug. Für Abhilfe sollte der Anbau eines „Tanzsalons“ an das Haupthaus sorgen. Die Pläne hierfür wurden damals von Andreas Meyer, dem Bauherrn der Hamburger Speicherstadt autorisiert. Um den Tanzsalon, der 1874 im neoklassizistischen Stil errichtet wurde, bauen zu können, musste vorher die Branntwein Brennerei, zwei Schober und ein Abort abgerissen werden. Der Saal wurde innen mit Dekorationsmalereien verziert und gehörte damals zu den festlichsten Räumlichkeiten Hamburgs. Bis auf die nicht mehr sichtbaren Dekorationsmalereien, die bei der Sanierung leider nicht gerettet werden konnten, zeigt sich der Saal heute noch in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild. Selbst Fenster und Türen sind noch immer original, wobei die Türen dieselben sind, wie sie auch im Bergedorfer Schloss Verwendung fanden. Wenige Jahre später, 1886, wurde die Bühne, und 1888 die Veranda an den Tanzsalon angebaut.

Auch wenn das Zollenspieker Fährhaus ursprünglich als Amtsplatz bis ins letzte Jahrhundert hinein der Stadt Hamburg gehörte, so wurde es nachweislich schon sehr früh auch gleichzeitig als Gasthaus verwendet. Unzählige berühmte Persönlichkeiten der vergangenen Jahrhunderte machten hier auf der Reise über die Elbe Station. Die Berichte hierzu werden sicherlich in einer der kommenden Ausgaben Thema werden. Fölsch jedoch war jemand der den Wert des Hauses an dieser Stelle richtig einschätzte und es weiter ausbauen wollte. Die sonstigen Räumlichkeiten ließen zu wünschen übrig, vor allem mangelte es an Fremdenzimmern.

So stellte er 1908 einen weiteren Antrag für einen dreigeschossigen Erweiterungsbau auf der Südseite des Haupthauses. Im Hamburger Rathaus stieß sein begründeter Antrag auf Zustimmung, wodurch 22.000 Mark für den Um- und Anbau bereitgestellt wurden.

1925 übernahm Heinrich Klockmann als Pächter das Fährhaus. Wieder war es Zeit für umfangreiche Renovierungsarbeiten. 29.370 Reichsmarkt wurden hierfür bewilligt, die Anträge zum Bau einer neuen Kegelbahn, Stallgebäude und Einfriedung jedoch abgelehnt. Klockmann genoss in der Region einen sehr guten Ruf und machte sich einen Namen. Man ging nicht ins Fährhaus – man ging zu Klockmann! Doch auch diese Ära ging einmal zu Ende.

Die Sanierung des Zollenspieker Fährhauses

Anfang der 1990er Jahre verfiel das Zollenspieker Fährhaus immer mehr. Über zehn Jahre lang stand es leer, und der Zahn der Zeit nagte ununterbrochen an dem alten Gemäuer.

Den Vierländern, die sich zu dieser Zeit sehr für den Erhalt ihres Zollenspieker Fährhauses einsetzten und eigens unter Hauke Marquardt einen Förderverein gründeten, ist es zu verdanken das dieses historische Bauwerk erhalten wurde. Einer tat sich hierbei besonders hervor: Bodo Sellhorn.

Der gebürtige Vierländer und Inhaber des renommierten Hamburger Ingenieur- und Architekturbüros erwarb im Mai 1995 für den symbolischen Betrag von 1DM das Anwesen und wurde damit der erste private Besitzer dieses altehrwürdigen Gebäudes.

Einen Monat später, am 18.06.1995 stellte Bodo Sellhorn in einem Tag der offenen Tür sein Sanierungskonzept vor. In enger Abstimmung mit der Hamburger Denkmalpflege wurden voraussichtliche Kosten in Höhe von 6 Mio. DM veranschlagt…

Zwar begann man zuerst mit einer kompletten Bestandsaufnahme des Gebäudes, wobei sich u.a. herausstellte das Deckenbalken zum Teil bis zu 80cm durchhingen, doch die richtigen Problemfälle wurden erst im Laufe der Sanierungsarbeiten offensichtlich.

Was niemand ahnen konnte war die, bereits am Anfang erwähnte, Gründung als Rollbalkenfundament. Was sich jahrhundertelang bewährt hatte, wurde durch die Deicherhöhung zu einem Problem. Das Fährhaus liegt auf einer Höhe von 5,40m über NN, während die neue Deichkrone bis auf 7,50m über NN hinausragt. Das enorme Gewicht des Deiches drückte seitlich auf das historische Gebäude, dass unter diesem Druck über kurz oder lang einzustürzen drohte. Bodo Sellhorn blieb nichts anderes übrig als ein neues Gründungskonzept zu entwickeln: Im Inneren wurden 14m tiefe Erdbohrungen mit Beton gefüllt. Auf diese Betonpfähle wurde ein zusätzliches Holzbalkenrost errichtet, auf dem dann eine neue Betonplatte aufgebaut wurde. Dieses neue Fundament, das sich jetzt über dem alten befindet, ist die Basis für eine mustergültige Sanierung eines historischen Gebäudes ohne dabei altes Material austauschen zu müssen. Ein zweites statisches Gerüst, bestehend aus Betonstützen wurde von Innen auf dem neuen Fundament aufgebaut. Gleichzeitig wurden die alten, verzogenen Eichenbalken mit Hilfe von Hydraulik langsam wieder hochgedrückt – sie werden jetzt von den neuen Betonsäulen nachhaltig gestützt. Bemerkenswert ist hierbei was Helmut Schlingemann, der als Architekt an den Sanierungsarbeiten beteiligt war, festgestellt hat: Die Eichenbalken, die quer auf dem Rollbalkenfundament unter den Steinpfeilern des Gebäudes liegen, „waren frisch wie am ersten Tag“.

Großartige Entdeckungen bei der Sanierung

Während der gesamten Sanierung wurden immer wieder spannende Entdeckungen gemacht. So wurden im blauen Salon die ältesten Profanmalereien Hamburgs entdeckt. Der geraffte Vorhang mit kleinen Figürchen, Blumen und Kelchen stammt aus der Wiederaufbauphase des Hauses um 1621. 120.000 Mark lies sich Bodo Sellhorn die fachgerechte Restaurierung dieser neun Fächer kosten.

Weitere Malereien kamen im Obergeschoss unter einer Stuckdecke zum Vorschein, sowie an den Wänden im Saal.Letztere leider in einem so schlechten Zustand, dass sie nicht erhalten werden konnten. Bevor die Wände saniert wurden, wurden die Reste dieser Zeichnungen jedoch abgepaust und könnten bei Bereitstellung der entsprechenden Mittel rekonstruiert werden.

Nach vier Jahren Bauzeit und 12 Mio. DM konnte das neue, alte Zollenspieker Fährhaus 1999 wieder eröffnet werden. In der nächsten Ausgabe werden wir uns dem Pegelhäuschen und dem heutigen Restaurantbetrieb zuwenden.

Ein großer Dank geht an dieser Stelle an Helmut Schlingemann, der sich nicht nur sehr viel Zeit für einen Privatvortrag vor Ort nahm, sondern auch umfangreiche Materialien für diesen Artikel zur Verfügung stellte.

Text: VuM

Fotos: VuM, Archiv Helmut Schlingemann, diverse

Dieser Artikel ist erschienen in: Vier- & Marschlande Regionalmagazin Nr. 9 (1/2016)