Das Naturschutzgebiet Boberger Niederung lädt das ganze Jahr über zu einem Ausflug ein!
Lautes Lachen, leuchtende Kinderaugen, Teenager, die sich 99% der Zeit nur mit ihrem Handy beschäftigen und Eltern, die froh sind, dass sie es überhaupt geschafft haben, ihre Kinder an die frische Luft zu bringen. Wer kennt dieses Bild nicht? Und all dies vor einer Kulisse lockeren, weißen … – Sandes?!
Auch wenn es nicht die typische Jahreszeit für eine Dünenwanderung ist, bietet das Naturschutzgebiet Boberger Niederung gerade bei diesem doch noch verhältnismäßig mildem Winterwetter eine willkommene Zuflucht von all dem vorweihnachtlichen Stress fern ab vom Einkaufsgetümmel.
Eine Dünenlandschaft in Mitten von Hamburg!
Das Besondere: Eine multimediale Führung via Handy-App.
Die Boberger Niederung ist das sechstgrößte der 29 Naturschutzgebiete Hamburgs. Obwohl sie mit 350 Hektar als verhältnismäßig klein gilt, zeichnet sich dieses Gebiet umso mehr durch seine Artenvielfalt, nicht nur der Flora, sondern auch der Fauna aus.
Ein Besucher kann in kürzester Zeit verschiedenste Naturräume durchwandern und den Übergang von Binnendünen und Heiden über Bruch- und Laubwälder bis hin zu Moor und Wasser-, sowie Weide- und Brachflächen mit ihren jeweils charakteristischen Pflanzen und ihrer typischen Tierwelt beobachten.
Das Geheimnis dieser Artenvielfalt sind die vier verschiedenen Bodentypen: Geest, Moor, Düne und Marsch.
Düne
Ihren Ursprung hat diese Niederung in der ausgehenden Weichsel-Eiszeit. Als das Eis vor 130000 Jahren schmolz, brachte es ein Gemisch aus Steinen, Kies, Sand, Lehm und Mergel mit sich. Durch Verwehung aus dem Elbe-Urstromtal wurde der Sandanteil fortgetragen und bildete eine 30 bis 50 Meter hohe Binnendünenkette. Für lange Zeit bedeckte diese einen großen Teil des südöstlichen Gebietes Hamburgs (das Elbtal).
Jedoch veränderte sich dieses Gebiet drastisch, als der Mensch eingriff. Von 1840 an wurde für fast 100 Jahre lang unermüdlich Sand abgebaut. Dieser Sand wurde unter anderem für die Aufschüttung der Bahntrasse Hamburg–Bergedorf verwendet. Auch der letzte Teil der Dünenlandschaft wäre sicherlich verschwunden, hätte man sich 1927 auf einen Sandpreis einigen können. So können die Hamburger wenigsten einen Bruchteil der früher so gewaltigen Düne genießen.
Geest
Neben der Dünenbildung entstand nördlich und südlich des Elbtals die Geest, die aus Sedimenten der Saale-Kaltzeit bestand. Jedes Mal, wenn die vielen Arme der damaligen Elbe über die Ufer traten, lagerten sie Sand ab, so dass die Sohle des Tals langsam anstieg.
Diese so mühsam gebildete Geestkante wurde binnen weniger Jahre um circa 50 Meter reduziert als hiesige Töpfereien den Boden zum Zweck der Lehmgewinnung abbauten.
Es bildete sich eine noch heute deutlich sichtbare unnatürliche Kante, die Mensch und Natur jedoch wieder einen naturfreundlicheren Nutzen geschenkt haben. Der so lehmige Boden bieten nun die besten Voraussetzungen für das Wachstum verschiedenster, seltener Orchideenarten.
Marsch
Vor ca. 4500 Jahren wurden die Voraussetzungen für die regionstypischen und sehr frucht-baren Marschböden geschaffen. Dies geschah als Folge des Meeresspiegelanstiegs, wodurch die Gezeiten, also Ebbe und Flut, das Hamburger Gebiet erreichten. Nebenerscheinung dieser Veränderung waren die häufigen Hochwasser, durch die sich feinkörniges Material der Elbe am Boden ablagern konnte und Grundlage vieler Organismen wurde. Seit ungefähr 2000 Jahren mischte sich schließlich auch der Mensch in die Gestaltung der Natur ein und so wurde die Marsch schließlich kultiviert.
Moor
Nach der Marschbildung entstand schließlich auch das Moor, indem sich die vielen kleinen Seen am Geestrand mit Resten von Pflanzen anfüllten. Auch dieser Teil der Boberger Niederung blieb nicht unangetastet.
Torf galt für lange Zeit als guter und günstiger Brennstoff. So wurden ganze Teile der Moorfläche abgetragen, um Torf zu gewinnen.
Die Tatsache, dass vier so verschieden Bodentypen auf so engen Raum harmonisch nebeneinander existieren, ist eine Besonderheit, die die heutigen Menschen zu schätzen wissen und dessen ökologischer Wert schließlich auch erkannt wurde. So wurde die Boberger Düne und das Achtermoor 1968 zu Naturdenkmälern ernannt und die Boberger Niederung 1991 zum Naturschutzgebiet erklärt.
Loki Schmidt Stiftung
Auch hat das Gebiet in Loki Schmidt und ihrer Stiftung eine berühmte Verbündete gefunden. Der Naturschutzverein bietet seit 1996 eine Ausstellung über die verschiedenen Lebensräume der Niederung und deren Bewohner an, veranstaltet Führungen durch das Naturschutzgebiet und beteiligt sich an der Betreuung desselbigen durch die Naturschutzverbände.
Ein Besuch des Naturschutzinfohauses ist kostenlos. Für einen Vortrag oder eine Führung erbitten sie einen Betrag von 5 € pro Erwachsenen und 3 € pro Kind (mind. 60 €/Gruppe).
Kostenlos und eine Neuheit im Arsenal der Umweltschützer ist dagegen der Einbezug der neuen Medien.
Ob iPhone oder Android-Handy mit der App „Natürlich Hamburg!“ können Interessierte das Gebiet nun auf drei Routen von 2,3 bis 5,3 km Länge kennenlernen und auf eigene Faust erkunden. Es ist ganz einfach. Zuhause oder Unterwegs die App und damit auch die Audiofiles und das Zusatzmaterial herunterladen, vor Ort eine Route wählen und ‚Voilá‘ eine private Führung ist organisiert. Nach dem Download benötigen Sie keine Internetverbindung mehr. Unterwegs macht die App die Besucher auf seltene Pflanzen und Tiere aufmerksam und erzählt, wie die Gebiete entstanden sind. Neben den Hörtexten werden die Informationen zusätzlich noch mit Kartenmaterial und Bildinformationen unterstützt. So weiß auch jeder wovon gesprochen wird.
Darüber hinaus gibt es das ganze Jahr über besondere Veranstaltungen. Verschiedene Vorträge, Führungen und sogar ein Junior Ranger Programm für Kinder bieten vieles zu entdecken für Groß und Klein.
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.loki-schmidt-stiftung.de/boberg
Für eher Technik-Begeisterte gibt es hier ebenfalls ein attraktives Ausflugsziel, den Segelflugplatz. Mitten im Naturschutzgebiet liegt neben dem Boberger See der Segelflugplatz Boberg. Hier sind der Hamburger Aero Club Boberg und der Hamburger Verein für Luftfahrt beheimatet. Besonders an diesen Vereinen ist, dass beide nur mit Segelflugzeugen arbeiten. Somit entsteht nur -wenn überhaupt- eine minimale Lärmbelästigung, was Besucher und Bewohner des Naturschutzgebietes gleicher Maßen zu schätzen wissen.
Anfahrt zu den Boberger Dünen
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln:
Nehmen Sie die U-Bahnlinie U2 oder U4 bis Haltestelle Mümmelmannsberg, anschließend die Buslinie 609 oder M12 bis Haltestelle Schulredder oder Boberg. Von dort über „Schulredder“ und „Boberger Furt“ zum Ausgangspunkt am Parkplatz.
Alternativ können Sie die S21 bis Mittlerer Landweg nehmen und danach die Buslinie 221 bis Billwerder Billdeich oder Bojendamm. Bei schönem Wetter kann man die Strecke von der S-Bahn-Station in die Boberger Dünen zu Fuß in ca. 30 Minuten erreichen.
Anfahrt mit dem PKW:
Biegen Sie von der „Bergedorfer Straße“ in „Am Langberg“ ab. Sie gelangen dann über „Schulredder“ zum Parkplatz an der Straße „Boberger Furt“.
Text: Sonja Clasen, Fotos: VuM
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